Dienstag, 10. August 2010
Das peacecamp-Projekt: why not peace?
Jugendliche aus vier Kulturkreisen im Gespräch über ihre persönliche Geschichte und die Geschichte ihrer Nationen
Insgesamt nahmen bisher an die 280 Jugendliche – je 70 jüdische und arabische Israelis, Ungarn und Österreicher – sowie ca. 45 Erwachsene – Lehrer, Gruppen- und Workshopleiter – an peacecamps teil, die seit 2004 alljährlich in Österreich, die letzten vier davon in Reibers im Waldviertel, und einmal auch in Israel stattfanden.


Wenn ihr wollt, ist Frieden kein Märchen




Immer wieder werde ich gefragt, ob es denn den Aufwand lohne – 8 bis 10 Jugendliche pro Gruppe, also maximal 40 Jugendliche pro peacecamp, seien doch eine sehr kleine Zahl, und 10 Tage eine relativ kurze Zeit, wolle man, wie ich, eine neue Generation von Staatsbürgern, vielleicht von künftigen Politikern und Meinungsbildnern, gegen das Weitergeben von Rassismen, gegen Starrsinn, Borniertheit, Rachsucht und Selbstgefälligkeit immunisieren und ihnen Rüstzeug für andere, neue Formen zwischenmenschlichen Agierens nahebringen. Dies ist in der Tat mein Anliegen und mein Ziel: Ich möchte junge Menschen dazu anregen, das, was sie von ihren Eltern, Lehrern, Büchern, Politikern gehört, gelesen und mitbekommen haben, zu hinterfragen, ja hinter sich zu lassen und sich auf etwas völlig Neues, noch nie Erlebtes, noch nie Gelebtes einzulassen – um es für immer in ihr Leben mitzunehmen und weiterzugeben.

Ob ich nicht sehr naiv sei, werde ich gefragt, größenwahnsinnig oder sonst wie verrückt, ob ich denn wirklich meine, in nur zehn Tagen Menschen, ja die ganze Welt verändern zu können. Nein, das glaube ich nicht, habe doch weder ich noch einer meiner Workshopleiter oder Mitarbeiter den jungen Menschen, die zu einem peacecamp kommen, etwas Weltverbesserndes anzubieten, kein Patent-Rezept, nicht mal eine Idee.

peacecamp ist ein Ort des Lernens, aber keiner, an dem Erwachsene den jungen Menschen irgendetwas beibringen könnten: "Wir Erwachsenen haben versagt, uns ist es nicht gelungen, euch in einer friedlichen Welt groß werden zu lassen." muss ich jeder Gruppe gleich zu Beginn mitteilen. Vielleicht aber können die hier anwesenden Menschen selbst neue Ideen entwickeln, sich auf Neues einlassen und hier in Reibers, diesem winzig kleinen Ort, fernab von Konsum, Technologie und all den fragwürdigen Errungenschaften unserer Zeit irgendetwas völlig Neues erleben, erarbeiten, entdecken, das sie von hier mitnehmen und dann weitergeben können.

Wir gehen mit jedem peacecamp an die nur 4 km entfernte Grenze zur Tschechischen Republik, um den jungen Menschen zu zeigen, dass es in der Geschichte der Menschheit sehr wohl Veränderungen gegeben hat, die keiner für möglich gehalten hätte. Jedes Mal treffen wir hier Menschen, die seit jeher in dieser Gegend leben und uns erzählen, wie es hier einmal war: ein Todesstreifen mit Stacheldraht, schikanösen Grenzposten und Schüssen, geteilte Familien, zerrissen durch eine nunmehr unsichtbar gewordene Grenze. Jedes Mal suchen die Jugendlichen diese Grenze – nichts als ein rostiger Stahlpfosten mit der Aufschrift "Staatsgrenze" ist von ihr geblieben: Hier kann man mit einem Fuß hüben und dem anderen drüben stehen, oder – und das finden die jungen Leute aus Israel besonders kurios – auf dem Grenzstein Platz nehmen und dabei mit einem A… in zwei Staaten sitzen, mit einer Backe in Österreich und der anderen in Tschechien.

Botschafter des Friedens




Sehr reichhaltig und ungewöhnlich sind die Erfahrungen, die die Teilnehmer eines peacecamps in den zehn Tagen ihres Beisammenseins machen: Sie bringen Einiges an Vorbereitung mit und teilen dies mit den jeweils Anderen: eine Dokumentation zur eigenen persönlichen und Familiengeschichte; Aufzeichnungen zur Kultur- und Religionsgeschichte der eigenen Gruppe; ein Stück Zeitgeschichte, das sie mit der Nachbarsgruppe verbindet oder von dieser trennt; Ideen zur Gestaltung eines "Culture Evenings". Während des peacecamps werden die Jugendlichen von Kunstpädagogen und -therapeuten dazu angeleitet, einander diese Inhalte in möglichst kreativer und erlebnisreicher Weise zu vermitteln; in einer psychotherapeutisch geführten "Large Group" können diese Themen vertieft und aufgearbeitet werden; hier fließen nicht selten Tränen, Tränen der Rührung oder der Kränkung, des Schmerzes, der Wut, hier kann man sich konfrontieren, aber auch versöhnen, oder sich neuen Fragen stellen, wie der der persönlichen Verantwortung für das gesellschaftliche oder politische Geschehen seiner Zeit; oder man kann persönlichen Fragen nachgehen, wie der des subjektiven Glücksempfindens, des persönlichen Gefühls der Zufriedenheit und der notwendigen Abstriche und Kompromisse, die das Leben in einer Gemeinschaft uns allen abverlangt.

Nicht selten gelangen die Jugendlichen zu interessanten und neuen Erkenntnissen, zum Beispiel den Unterschied zwischen den Generationen betreffend: "Das ist der Konflikt unserer Großeltern und Eltern, ich habe mit DIR kein Problem." ; "Ich werde heimfahren und erzählen, dass ich mit acht Palästinensern im selben Schlafsaal wohnte, von denen keiner den Terror befürwortet."; "Was, ihr (jüdische Israelis) setzt euch für unsere (der Araber) Rechte ein?", "Was, auch in Ungarn gibt es eine diskriminierte Minderheit, die Roma?" , "Was, es gibt in Österreich Menschen, die den Holocaust leugnen?". Diesen und andere Fragen stellen sich die Jugendlichen am peacecamp, aber auch Fragen der Vergangenheitsbewältigung und möglicher Aussöhnung nach Kriegen und schwersten Entgleisungen von Völkern und Nationen.



Wie finden Juden und Österreicher nach dem Holocaust zueinander, wie wachsen die von blutigsten Kriegen und despotischen Regime verwundeten Staaten Europas wieder zusammen, wie finden Kinder traumatisierter Eltern Wege in eine neue, eigene Zukunft, wie kann man das Rad von Rache und Vergeltung zum Stillstand bringen, der Geschichte eine neue Wendung geben, vor allem aber: Was kann ich, was kannst du, was kann jeder Einzelne von uns dazu beitragen?

Diesen und vielen anderen Fragen gehen die Teilnehmer des peacecamp-Projekts nach und tun dies gemeinsam, auch dann, wenn mancher Konflikt (noch) unlösbar scheint. Am Ende erhält jeder von ihnen ein Zertifikat, das sie als "Ambassador of Peace – Botschafter des Friedens" auszeichnet.

Einmal peacecamper, immer peacecamper

Unabhängige Forschung, die unser Projekt evaluiert, bescheinigt tatsächliche Veränderungen bei den Jugendlichen; sie sind nach einem peacecamp selbstsicherer, reflektierter, wortgewandter, mehr bereit, Konflikte in Worte zu fassen und angesichts quasi "unlösbarer Probleme" originelle, gewaltfreie Lösungswege einzuschlagen; dies hören wir auch von ihren Lehrern und Eltern, die uns hinterher oft danken, uns ihre Wertschätzung ausdrücken und bestätigen, dass ihr Kind vom peacecamp wie verändert – reifer, souveräner, in sich gefestigter – zurückgekommen ist; von den Jugendlichen selbst erfahren wir, dass die am peacecamp entstandenen Verbindungen und Freundschaften über die Grenzen der Länder, Nationen, Religionen und Altersgruppen hinweg erhalten bleiben, Grüppchen von Jugendlichen einander besuchen und gemeinsame Reisen machen, wobei ihre Eltern die gegenseitigen Besuche unterstützen und bei der Beförderung, Unterbringung und Verpflegung der Jugendlichen behilflich sind.

Eine Gruppe von acht Jugendlichen der peacecamps 2007 und 2009 kam uns heuer in Reibers besuchen. Als Gastgeschenk brachten sie einen selbstgedrehten Film mit, mit dem sie nicht nur uns Veranstaltern, sondern auch dem Leiter des Videoworkshops ihres peacecamp-Jahrgangs große Freude machten: einmal peacecamper, immer peacecamper war ihr Motto, und ich sehe darin eine Bestätigung meiner Überzeugung, dass auf jedem peacecamp etwas gesät wird, das noch lange, vielleicht immer, Früchte tragen wird.

(Anm.: Zur leichteren Lesbarkeit wird in diesem Text die männliche Form verwendet; es sind aber – sofern nicht anders angegeben – selbstverständlich männliche wie weibliche Personen gemeint.)

Evelyn Böhmer-Laufer
Initiatorin und Leiterin des Projekts peacecamp
August 2010

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Dienstag, 3. August 2010
Intensität als Antwort auf scheinbar unlösbare Fragen

Bath-Sahaw Baranow
Teilnehmerin der österreichischen Gruppe
Es besteht kein Zweifel, dass man sich auf ein Experiment einlässt, indem man am Peacecamp teilnimmt. Selbstverständlich stiegen vor allem in den Tagen vor dem ersten Zusammentreffen der internationalen Gruppen am Flughafen Wien Schwechat die Erwartungen und nicht zuletzt auch die Nervosität, sogar erste Befürchtungen über die Richtigkeit der Entscheidung zur Teilnahme befielen mich. Würde ich tatsächlich mit allem, was in Reibers an Konflikten auftauchen würde, fertig werden? Mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher. Langsam versammelte sich die österreichische Delegation und bereitete sich auf die Begrüßung der beiden israelischen Gruppen vor. Doch nach deren Ankunft war eine deutliche Schüchternheit von allen Seiten zu spüren. Noch isolierten sich die Gruppen und es gab Berührungsängste.
Schließlich wurde verkündet, dass es ein Problem mit dem Bus der ungarischen Peacecamper gab, und die Wartezeit füllte jede Gruppe anders, so holte Nevo Gat, ein jüdisch-israelisch Teilnehmer des Camps seine Gitarre aus dem Koffer und sorgte für musikalische Unterhaltung, während sich ein Großteil der österreichischen Gruppe im Bus um den Laptop mit der Präsentation für den österreichischen Culture Evening versammelte, um letzte Vorbereitungen zu treffen.
Die Culture Evening waren eine der Besonderheiten für jeden einzelnen Teilnehmer, über die Workshops hinaus stellten sie vielleicht sogar die beste Möglichkeit für den Aufbau eines gegenseitigen Verständnisses und gegenseitig entgegengebrachter Toleranz dar. Denn die anfängliche Vorsicht, die zur Isolation und dem bewussten Einhalten eines gewissen Abstands beitrug, musste und wollte immerhin abgebaut werden. So war es ein Schlüsselmoment, als nach dem arabischen Kulturabend eine Teilnehmerin der österreichischen Delegation, die gebeten wurde, bei der Präsentation auszuhelfen, begeistert feststellte, dass die einzige arabisch-israelische Teilnehmerin mit Kopftuch unheimlich freundlich und auch offenherzig war.
Doch die Workshops, die unter Anleitung von Künstlern aus dem Theaterbereich stattfanden, ermöglichten in erster Linie das Näherkommen in jener Geschwindigkeit, wie sie in den zehn Tagen in Reibers folgte. Vor allem die Intensität des Austausches, sei es nun auf kultureller oder einfach nur auf sozialer Ebene zwischen uns allen, macht das Peacecamp zu etwas Besonderem.
Als wir am Ende des Camps nach Wien fuhren, um im Dschungel Wien einige der erarbeiteten Performances zu präsentieren wurde mir eines klar: Insgesamt waren wir zu Anfang 34 junge Menschen gewesen, unter denen es vereinzelt Freundschaften gegeben hatte, doch auf den ersten Blick hatten wir nicht unbedingt viel gemeinsam, außer der Teilnahme am Peacecamp – Allerdings wurde uns hier gezeigt, wie wenig dies der Wahrheit entsprach, innerhalb von nur zehn Tagen habe ich 33 neue Freunde gefunden, die mir alle am Herzen liegen.
Vermutlich zeigt sich das starke freundschaftliche Band auch dadurch, dass wir Jugendlichen in Reibers etwas Neues versucht haben, ohne sich um Herkunft, Religion, Aussehen und dergleichen zu kümmern haben wir gemeinsam etwas erarbeitet, mit mehreren Resultaten. Uns wurde gezeigt, dass viele Dinge, von denen wir glauben, es wäre unmöglich sie zu erreichen, erreicht werden können. Denn wir haben sie erreicht und es ist noch nicht vorbei, wie die Peacecamp-Generationen vor uns haben auch wir bereits Treffen in Budapest vereinbart und freuen uns darauf, nicht den Kontakt zu verlieren und das Peacecamp nicht nur in bester Erinnerung zu behalten, sondern auch darauf zu achten, unsere dort entstandenen Ideen und Visionen gemeinsam in die Tat umzusetzen.

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This was peacecamp


Andrea Prinz, Praktikantin
Das Peacecamp war für mich eine außergewöhnliche und einzigartige Erfahrung. Es sind so viele verschiedene Situationen, die einen bleibenden Eindruck bei mir hinterließen, dass ich gar nicht so recht weiß, wo ich anfangen soll. Für mich am interessantesten zu beobachten war, wie sich die vier kleinen Gruppen immer mehr zu einer großen durchmischten Gruppe formten. Obwohl sie sich untereinander schon noch eher zu ihrer „eigenen“ Gruppe zugehörig fühlten, bildeten sich im Laufe der Woche neue Gemeinschaften, die völlig durchmischt außerhalb der strukturierten Zeit Fußball oder Basketball spielten, draußen saßen und musizierten, zur gleichen Musik tanzten, gemeinsam kochten, diskutierten, im Grunde genommen: einfach miteinander lebten. Würde man all das auf eine komplette Gesellschaft umwälzen, wäre es grob gesagt eine nahezu perfekte Welt.



Das schönste Beispiel dafür finde ich war die Diskussion zum jüdisch- und arabisch-israelischen History Part. Es war ja eigentlich zu erwarten, dass diese Diskussion sehr emotional und mit einigen Differenzen verlaufen würde. Daher war es auch von Vorteil, dass die Diskussion erst sehr spät in der Woche seinen Platz fand. Denn, als die Session zu Ende war und niemand so richtig aufhören wollte zu reden, da sie sich alle in Mitten in einer hitzigen Diskussion fühlten, kam es einfach zu einem Punkt wo man sagte: STOP. Dieser Konflikt ist nun mal zu komplex um ihn in so kurzer Zeit als Ganzes erfassen oder ihn auch nur ansatzweise lösen zu können. Und das wussten die Jugendlichen auch. Dieser Konflikt wurde von früheren Generationen in die Welt gerufen, sie waren es, die hier Grenzen am Papier und in unseren Köpfen gezogen haben. Es ist an der heutigen, jungen Generation, zu sagen: wir wollen all das nicht mehr. Und dass sich die Jugendlichen nach dieser Diskussion, als alle Emotionen hochkamen, gegenseitig in die Arme schlossen, den Konflikt zur Seite legten und wieder gemeinsam Basketball spielten, an einem Tisch saßen und miteinander
Spaß hatten – genau daran sollten sich so manche Politiker ein Vorbild nehmen.




Sehr eindrucksvoll fand ich auch den Marsch zur tschechischen Grenze. Kurz davor, dort wo die Straße hinunter geht zu den Bäumen, die quasi die Grenze darstellen, kam ich mit Tomer etwas ins Gespräch. Als er mich nun fragte, wie weit es denn noch sei und wo jetzt die Grenze ist, deutete ich zu den Bäumen und dem Grenzschild. Als er nochmal nachfragte, ob das wirklich die Grenze sei, konnte ich bemerken, wie verblüfft er darüber war und wie unvorstellbar ihm das vorkam. Dieser Eindruck bestätigte sich auch nochmal, als wir dann unten saßen und langsam mehr und mehr Leute herkamen. Diese Grenze und die Geschichte des Eisernen Vorhangs drückt für mich eine sehr starke Symbolkraft aus, die natürlich auch bei den Participants nicht unbemerkt blieb. So schweißtreibend heiß und anstrengend der Weg zur Grenze auch war, muss ich sagen, dass es für mich eines der Highlights am Peacecamp war. Denn nicht nur die Symbolkraft dieser Grenze, auch das gemeinsame „Leiden“ unter der Hitze und der Anstrengung schweißte die Leute zusammen.




Die Kleingruppen-Arbeit mit den Artists fand ich sehr interessant und produktiv, auch wenn ich selbst nicht direkt Teil davon war, sondern mehr beobachtet hatte. Ich glaube, dass „My Family“ – die Arbeit mit den Familien-Alben, und das schauspielerische Darstellen von „My Story on Stage“, das Selbstbewusstsein und vor allem dem Selbstwertgefühl der Participants enorm steigerte. Denn dadurch wurde ihnen bewusst: Du stehst auch im Mittelpunkt, du bist ein interessanter Mensch, und wir wollen hören was du zu sagen hast! Und genau diese persönliche Motivation braucht man um etwas auf die Beine stellen zu können, um aktiv zu werden und um gegen gesellschaftliche und politische Missstände aufstehen zu können.




Ich persönlich bin (ich weiß nicht ob das der richtige Ausdruck ist) stolz, Teil des Peacecamps 2010 gewesen zu sein und unglaublich dankbar dafür, dass es diese Aktion gibt. Denn Frieden beginnt nicht bei irgendwelchen Politikern oder Herrschern. Frieden beginnt bei den einfachen Menschen, die es schlicht und einfach satt haben, immer und immer wieder die schrecklichsten Ereignisse in den Medien mitzuverfolgen, oder diese gar hautnah erleben zu müssen. Soweit es mir möglich ist, möchte ich meine Hilfe und all mein Bestes dafür geben, dass auch zukünftige Peacecamps so gut gelingen, wie dieses!

Andrea Prinz
Praktikantin peacecamp2010

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Donnerstag, 29. Juli 2010
"Imagine there's no countries…"
peacecamp 2010 und die "Academy of the Impossible"
Vom 4. bis 14. Juli 2010 fand das achte peacecamp statt – zum vierten Mal in Reibers im niederösterreichischen Waldviertel.



Dass peacecamp Spuren hinterlässt, war schon bei der Ankunft in Reibers sichtbar, erstrahlte doch das Jugendgästehaus, das uns seit 2007 alljährlich beherbergt, in neuem Glanz: frisch getünchte Wände, neu installierte Duschen, gestrichene Stühle und Bänke, Spitzendeckchen auf den Ablagen und Tischchen. Was Bürgermeister Reinhard Deimel und Gemeinderätin Anita Fröhlich uns im Vorjahr versprochen hatten, war vom neu konstituierten Verein, der das Jugendgästehaus nunmehr betreut, umgesetzt worden, und uns war klar, dass nicht nur Reibers sondern die gesamte Gemeinde Dobersberg peacecamp willkommen hieß und in ihre Reihen aufnahm.



Diese Verbindung fand im Rahmen des Schlussaktes „reibers4peace“ am 12. Juli mit der Pflanzung des von peacecamp gewidmeten Ginkgo-Baumes und Anbringung der von der Gemeinde Dobersberg gewidmeten Plakette einen feierlichen Ausdruck. Der hierbei anwesende Abgeordnete zum Nationalrat Erwin Hornek erzählte den Anwesenden von seinen persönlichen Erlebnissen als Kind einer durch den nur 4 km weiter gelegenen ehemaligen Eisernen Vorhang gespaltenen Familie und bezeichnete das peacecamp-Projekt als "genial", weil es junge Menschen aus verschiedenen Ländern an diesen geschichtsträchtigen Ort nahe der Grenze zur Tschechischen Republik zusammenbrachte, um sich gerade da Gedanken über den Frieden zu machen.

Einmal peacecamper, immer peacecamper: Dies fand auch im Überraschungsbesuch einer Gruppe TeilnehmerInnen aus zwei früheren peacecamps Ausdruck: Acht Schüler und Schülerinnen aus Österreich, Ungarn und Israel hatten sich in Budapest getroffen, waren nach Wien gereist und kamen nach Reibers, um uns da mit ihrer Anwesenheit zu überraschen. Ihr Gastgeschenk – ein speziell für uns gedrehter kleiner Film – vermittelt besser als Worte, welch bleibenden Eindruck peacecamp bei diesen Jugendlichen hinterlassen hat; den Film kann man auf YouTube sehen:
http://www.youtube.com/watch?v=nCCpm1TDgBk

Immer wieder werde ich gefragt, was peacecamp denn tatsächlich bewirke, ob es die unentgeltliche Mühe von VeranstalterInnen und MitarbeiterInnen lohne, den unermüdlichen Einsatz von Workshop-LeiterInnen, den Beitrag der Sponsoren. Obwohl wir uns jedes Jahr um eine Evaluierung des peacecamps mittels Fragebögen bemühen, für deren ehrenamtliche Auswertung die Statistikerin am Ende uns dankt ("Thank you for letting me do the assessment of this. It seems to have been a great camp."), sind die informellen Berichte und Rückmeldungen, die wir von TeilnehmerInnen und deren Eltern und Lehrern bekommen, noch überzeugender.

In den beteiligten Schulen wächst die Liste der Anmeldungen für peacecamp und erfordert immer komplexere Auswahlverfahren der maximal zehn SchülerInnen jeder Gruppe, die auf ein peacecamp mitkommen dürfen. Eltern intervenieren bei der Schulleitung für die Teilnahme ihres Kindes am peacecamp, Lehrer berichten uns, dass Kinder von peacecamp wie ausgewechselt, selbstsicherer, mutiger, engagierter, reifer zurückkommen; Eltern schicken Dankesbriefe, Jugendliche posten in Facebook unermüdlich unzählige Nachrichten, Fotos, Briefe – Teenager, "die einmal dabei waren, sind für immer dabei" (siehe Brief einer ehemaligen Teilnehmerin im Kasten) –, mit ihnen und um sie herum wächst eine immer größer werdende peacecamp-Familie.

Jedes peacecamp ist ein Einzelprodukt, Resultat der Aufarbeitung vorheriger peacecamps, der kreativen und anderen Ressourcen des jeweiligen Teams und der jeweils mitwirkenden Jugendlichen aus vier Nationen – jüdische und arabische Israelis, Ungarn und Österreicher, heuer 34 an der Zahl.

Eine eingehende Vorbereitung ist für alle verpflichtend; es bringen alle TeilnehmerInnen Aufzeichnungen zu ihrer persönlichen Lebens- und Familiengeschichte, ein Kapitel Zeitgeschichte und Ideen zur Gestaltung eines "Culture Evenings" mit; sie haben sich bereits Gedanken zum Thema Frieden gemacht und uns diese als Antwort auf "4 questions" (zum Thema Frieden) mitgeteilt. Diesen Fragebogen werden sie auch einige Zeit nach dem peacecamp ausfüllen, und wir werden ihre Antworten mit denen von Gleichaltrigen vergleichen, die nicht auf dem peacecamp waren.



Die "Academy of the Impossible" (David Maayan, Angelika Kisser-Maayan, Yap Sun Sun und Walther Mathes) half den Jugendlichen, diese Themen in kreative Formen zu gießen. Erst nachdem gemeinsam gesungen, musiziert, Theater gespielt, debattiert und diskutiert worden war, wurden die gefürchteten "Geschichtspräsentationen" mit anschließenden Diskussionen gehalten. Hier konnte man erfahren, wie die Geschichte Ungarns und Österreichs, insbesondere die Situation der Juden in Europa, zur Entstehung des Staates Israel beigetragen hat und wie wichtig der Staat Israel als Garant für das Überleben der Juden ist. Aber auch, was das Entstehen des Staates Israel für die Araber bedeutet, wurde erörtert und wie komplex und verstrickt die Beziehungen zwischen den beiden Völkern sind.

Der darauf folgenden hitzigen Debatte setzte die Uhr ein Ende: Die Zeit war aus, ein anderer Workshop sollte beginnen. "Wie können wir jetzt aufhören? Es muss weiter diskutiert werden." forderten die Jugendlichen. Die Erwachsenen bestanden trotz allen Protestes auf die Einhaltung des Zeitplans. Das Resultat war ergreifend wie peacecamp selbst: Es gelang, die Debatte einfach stehen zu lassen und dennoch zu einem gemeinsamen, kreativen Tun überzugehen, bei dem das Alte, Unaufgelöste, hinter uns gelassen wurde und etwas wirklich Neues entstehen konnte. Nachträglich stellte sich heraus, dass die Jugendlichen nachts weiterdiskutiert hatten, in Eigenregie und ganz ohne "lenkende" Erwachsene.

Ein Fußmarsch zur nahe gelegenen österreichisch-tschechischen Grenze gab Anlass zu einem besonders anschaulichen zeitgeschichtlichen Rückblick und machte deutlich, dass Mauern fallen, Konflikte ein Ende finden und gravierende gesellschaftspolitische Veränderungen stattfinden können, auch dort, wo dies nie für möglich gehalten worden wäre.





In der von Katja Rainer geleiteten "Large Group" konnten Themen des Umgangs von Menschen miteinander sowie des subjektiven Erlebens des Einzelnen bearbeitet und reflektiert werden: Was ist maßgeblich für das Gefühl der Zufriedenheit? Kann ich glücklich sein, auch wenn nicht all meine Wünsche erfüllt, nicht all meine Vorstellungen realisiert, nicht alle Konflikte gelöst sind? Hier zeigten die TeilnehmerInnen Ernsthaftigkeit und Verständnis für die komplexen, oft unauflösbaren Knoten, die unsere Beziehung zu uns selbst und zu Anderen kennzeichnen.




All dies fand seinen Ausklang in der Schlussveranstaltung reibers4peace, mit dem gesamten Ort Reibers als Kulisse. Friedensstatements wurden aus Fenstern gerufen, es wurde John Lennons Song "Imagine" gesungen und zu Barry Whites "You are The First, My Last, My Everything" getanzt, Grüppchen von Teenagern mimten Szenen aus "typisch" jüdischen, arabischen, ungarischen oder österreichischen Familien, bzw. aus dem, was sie für solche hielten. Jede Teilnehmerin, jeder Teilnehmer, ging mit einem Diplom "Ambassador of Peace" nach Hause; am darauffolgenden Tag gab Aviv Shir-On, Botschafter des Staates Israel in Österreich, der show4peace im Dschungel Wien/MuseumsQuartier die Ehre und drückte seine Wertschätzung für die hier geleistete Friedensarbeit aus.




Es fordern alle eine Wiederbegegnung; eine solche soll im Laufe des kommenden Jahres in Israel stattfinden, während hier bereits die ersten Vorbereitungen für peacecamp 2011, geplant für 4. bis 14. Juli 2011 in Reibers, stattfinden.

peacecamp 2010 wurde von Gerald Muthsam als Dokumentarfilm aufgezeichnet. Man kann ihn in mehreren Teilen in YouTube sehen. Hier der Link zum 7-minütigen Teaser:
http://www.youtube.com/watch?v=Wr8CpGKfH48
Die Links zu den kompletten Film-Fassungen finden Sie in unserem Blog:
http://peacecamp2010.blogger.de/

Gefördert wurde peacecamp 2010 vom Zukunftsfonds der Republik Österreich, der Karl-Kahane-Stiftung, dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, den Bundesländern Niederösterreich und Wien, dem Rotary Club Perchtoldsdorf sowie vielen privaten Spendern. Ihnen allen sei hier nochmals gedankt.

Evelyn Böhmer-Laufer
Ronny Böhmer

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Sonntag, 25. Juli 2010
Graduation
"Ambassador of peace"

34 participants of peacecamp 2010 graduated as "ambassadors of peace"

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Mittwoch, 30. Juni 2010
A Ginkgo biloba tree was donated to
the people of Reibers and planted in the backyard of the youth hostel at the reibers4peace festival on July 12th
Ginkgo - UN Peace Tree

http://www.xs4all.nl/~kwanten/thetree.htm
GR Anita Fröhlich at the tree planting ceremony in Reibers


http://www.xs4all.nl/~kwanten/name.htm
Peace Tree: In New Bedford (Massachusetts,USA) there's a UN Peace Tree as a community symbol of hope for world peace: the Ginkgo. It was planted in 1955 by schoolchildren as a gesture of hope that all governments would join the United Nations and work toward world peace.
http://www.ginkgo-garden.de/tree.htm

Der Ginkgo biloba wurde zum Jahrtausendwechsel zum Mahnmal für Umweltschutz und Frieden
und zum Baum des Jahrtausends erklärt.



GR Anita Fröhlich, Evelyn Böhmer-Laufer, NR-AO Erwin Hornek and BM Reinhard Deiml at the ginkgo tree planting ceremony



NR-AO Erwin Hornek at the tree planting ceremony in Reibers

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Montag, 8. Februar 2010
The peacecamp-project
A project of peace-education
peacecamps are
- 10-days’ multicultural encounters of youth from four different nations
- educational-therapeutic workshops aiming at a better understanding of one’s own and others’ culture, religion, history, political reality

peacecamp-participants are
- Jewish and Palestinian youth from Israel
- Youth from two European countries , so far Slovenia, Hungary, Austria

peacecamps encourage to experiment with, and explore
- non-violent modes of coping with conflict
- modes of problem solving based on cooperation and creativity
- ways and obstacles of conjoint action


Seven peacecamp were realised since 2004, six in Austria and one in Israel.
In planning stage:
- peacecamp2010: why not peace? in Reibers/Waldviertel and in Vienna
- peacecamp2011 in Israel

http://peacecamp2010.blogger.de
http://peacecamptexts.blogger.de

Concept and realization:
Mag. Evelyn Böhmer-Laufer

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Das peacecamp-Projekt
Ein Projekt zur Friedenserziehung
peacecamps sind
- 10-tägige interkulturelle Begegnungen von Jugendlichen aus vier Nationen
- pädagogisch-therapeutische Workshops zum besseren Verstehen der eigenen und der "fremden" Kultur, Religion, Geschichte, politischen Realität

An peacecamps nehmen teil
- jüdische und palästinensische Jugendliche aus Israel
- Jugendliche aus jeweils zwei europäischen Ländern – bislang Österreich, Slowenien, Ungarn

peacecamps ermöglichen ein Erproben und Erforschen
- gewaltfreier Formen der Konfliktbewältigung
- der Möglichkeiten und Grenzen gemeinsamen Problemlösens
- kreativer und kooperativer Lösungsansätze


Sieben peacecamps fanden bislang statt – sechs in Österreich und eines in Israel.
In Planung:
- peacecamp2010: why not peace? in Reibers/Waldviertel und in Wien
- peacecamp2011 in Israel

http://peacecamp2010.blogger.de
http://peacecamptexts.blogger.de

Konzept und Realisierung:
Mag. Evelyn Böhmer-Laufer

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Samstag, 9. Januar 2010
peacecamp 2010: why not peace?

Youth from four different nations
in dialogue
about their personal and national histories

July 4th-14th, in Reibers/Waldviertel/Lower Austria
For 10 days, the small village Reibers will be space and setting for an evolving new reality. 10 Arab-Israeli, Jewish-Israeli, Hungarian and Austrian teenagers will give expression to their cultural, religious, national and personal diversity.

As “Ambassadors of peace” they will establish a dialogue with the inhabitants of Reibers and the townsfolk in Vienna and will bring home a pack of new experience, to share with their friends and family. A multicultural group of artists will help them develop an interactive show in which their biographies and the history of their respective religions and nations will find expression. They will develop communication tools to bridge over language barriers and to communicate the essence of their respective cultures to each other and to the local community.

A walking trip to the former Iron Curtain at the nearby Czech border will the frame for a dialogue with the villagers they will encounter. A “Speakers' Corner” somewhere in the village, exercises with the Microphone, experimenting with the border between ourselves and the world around us, a dialogue between “me and you”, “me and nature”, “me and the world around”, will offer opportunities for self-experience and for an ongoing dialogue between the teenagers and the local community.

A psychological group will allow self-reflexion, widen our understanding of our feelings and attitudes and enable us to find non-violent ways to talk about, and cope with, conflict.

Four culture evenings and an evolving street-show will be part of the program.

Show4peace in Reibers (July 12th) and in Vienna, Dschungel/MuseumsQuartier (July 13th) with Awards Ceremony (Certificate “Ambassador of peace”) in front of a large audience.

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